Die Tablette – eine interessante galenische Form für Nahrungsergänzungsmittel
Es gibt keine andere Darreichungsform, die so oft verwendet wird wie die Tablette. Vom lateinischen Wort „tabuletta“ abgeleitet, bedeutet es „Täfelchen oder Brettchen“. Die Definition lautet: Die Tablette ist eine einzeldosierte, feste Darreichungsform, welche unter maschinellem Druck durch Pressen aus trockenen Zerteilungen wie Pulvern oder Granulaten hergestellt wird. Die Ableitung des Begriffs aus dem Lateinischen trifft heutzutage nur noch selten zu, da die meisten Komprimate zylindrisch sind. Es gibt noch viele andere Industriezweige, in denen heute ebenso Tabletten hergestellt werden wie zum Beispiel Geschirrspültabletten oder auch Futter- und Pflanzenschutzmittel[1, 2].
Vorteile einer Tablette
Viele Gründe sprechen dafür, dass die Tablette unumstritten die wichtigste Darreichungsform ist. Die meisten Rohstoffe lassen sich – teilweise nach entsprechender Vorbearbeitung – zu Tabletten verarbeiten, die Herstellung ist gut automatisierbar und daher bei großen Mengen kostengünstig. Die Dosierung ist kontrollierbar und auch die Stabilität ist bei geeigneter Lagerung über einen längeren, marktüblichen Zeitraum gewährleistet. Die sichere und durchaus auch bequeme Applikation ist ebenso als vorteilhaft anzusehen. Der Verbraucher kann die Tablette leicht mit sich tragen und unauffällig und pünktlich zu sich nehmen. Die verschiedenen Größen und das ansprechende Äußere helfen dem Verbraucher, verschiedene Produkte oder auch Dosierungen voneinander zu unterscheiden. Die gefällige Form und auch die Bruchstabilität tragen dazu bei, dass die Tabletten gut verpackt werden können und somit auch leicht zu transportieren sind[3].
Die Geschichte der Tablette
Die vielfach geübte Methode des Einschlagens von Drogen in teigartige Nahrung fand bereits um 1500 v. Chr. in Ägypten statt. Als unmittelbare Vorgänger der Tablette sind Pastillen, Pillen oder auch andere geformte, feste Varianten anzusehen. Wie schon die Ägypter haben auch die Griechen in der Antike Kügelchen aus schlecht schmeckenden Wirkstoffen bereitet. Die Erfindung der manuellen Tablettenpresse durch Brockedon im Jahre 1843 brachte einen Wandel auf dem Gebiet der festen peroralen Darreichungsformen. Die Tablettenproduktion im industriellen Maßstab in Europa wurde 1884 durch die Firma Burroughs Wellcome & Co. in London vorangetrieben. Sie ließen sich die Bezeichnung „tabloid“ als Markenname schützen und produzierten daraufhin erhebliche Stückzahlen[1].
Tablettenherstellung
Das Zitat von Robert C. White aus dem Jahre 1920 „The life of the tablet maker is not a happy one“ trifft hierbei ganz gut zu, denn die Ansprüche an dieses technologisch sehr komplexe Verfahren sind sehr hoch. Die Herstellung eines sogenannten Presslings wird im Folgenden näher erklärt.
Die zum Tablettieren vorbereitete, bereits gemischte Pulvermasse wird mit Hilfe von sehr hohem Druck zu einer Tablette verpresst. Für erste Versuche, um lediglich die Verpressbarkeit eines Pulvers oder einer Pulvermischung fest stellen zu können, kann man Handpressen verwenden. Für weitere Versuche im Entwicklungsmaßstab werden Exzenterpressen oder auch kleine Rundlaufpressen eingesetzt. Der Unterschied zwischen einer Exzenter- und einer Rundlaufpresse im weitesten Sinne ist, dass es sich bei der Exzenterpresse um eine einseitige Verpressung und bei der Rundläuferpresse um eine zweiseitige Verpressung handelt. Beide Technologien beruhen jedoch auf demselben Grundprinzip. Eine Matrize wird mit der zu tablettierenden Mischung befüllt und durch zwei Stempel zu einer Tablette verpresst. Die Rundlaufmaschinen sind allerdings wesentlich leistungsfähiger als Exzenterpressen, da sie eine viel größere Zahl an Werkzeugsätzen (Matrize, Ober- und Unterstempel) enthalten und somit eine größere Menge an Tabletten produziert werden kann[1, 3].
Sehr viele Wirkstoffe können tablettiert werden, davon einige direkt, d. h. ohne weitere Verarbeitung des Pulvers. Hier gibt es sogenannte DC-Materialien (DC = Direct Compression). In den meisten Fällen werden aber neben dem eigentlichen Wirkstoff zusätzliche Hilfsstoffe für die Herstellung einer technologisch optimalen Tablette benötigt. Als Hilfsstoffe in einer Tablette werden alle Komponenten bezeichnet, die nicht für eine ernährungsspezifische oder physiologische Wirkung im Körper verantwortlich sind. Dazu zählen Füllmittel wie Lactose, mikrokristalline Cellulose, Stärken uvm., die bei der Verarbeitung von sehr geringen Wirkstoffmengen benötigt werden. Als Sprengmittel (Zerfallsmittel) wird oftmals Croscarmellose-Natrium oder auch modifizierte Stärke eingesetzt. Als Schmiermittel, das zum einen die Fließeigenschaften der Pulvermischung verbessert, zum anderen das Kleben der Tablettenmasse an den Stempeln verhindert, wird am häufigsten Magnesiumstearat verwendet. Als sogenannte „Compound-Hilfsstoffe“ bezeichnet man Hilfsstoffe, die aus einer Mischung von verschiedenen Stoffen hergestellt werden, zum Beispiel mikrokristalline Cellulose mit Calciumphosphat[1, 3].
Die Inprozesskontrollen, welche während einer state-of-the-art Tablettenherstellung auch bei Nahrungsergänzungsmitteln durchgeführt werden sollten, sind zum einen die Härtemessung, die Überprüfung des Tablettengewichts, der Abrieb, die Tablettenhöhe und die Zerfallszeit.
Tablettenformen und -arten
Es gibt eine Vielzahl von Tablettenformen. Angefangen bei der runden, beidseitig gewölbten, also bikonvexen Tablette über eine ovale bis hin zu einer oblongen Variante, was wohl die gängigsten Formen sind. Der Markt bietet auch quadratische Tabletten oder auch Tabletten in Herz- oder auch Halbmondform sowie viele andere Variationen. Die Größe der Tabletten reicht von einer 2 bis 3 mm großen Mikrotablette bis hin zu großen Brausetabletten oder auch Traubenzuckertabletten mit einem Durchmesser von 25 mm. Bei Tabletten sind auch Prägungen oder Gravuren möglich, die in die Tablettenstempel eingearbeitet sind und damit automatisch beim Pressvorgang in einem Arbeitsschritt das entsprechende Tablettenbild erzeugt wird. Derartige Schriftzüge oder Logos unterstützen die Wiedererkennung und damit die Markenbildung (Branding) für ein Produkt. Die Einfügung von Bruchkerben ist ebenso möglich, falls eine Teilbarkeit der Tablette beabsichtigt ist[4, 5].
Tabletten zum Einnehmen werden unterschieden in nicht überzogene Tabletten, überzogene Tabletten (sogenannte coated tablets), Tabletten mit einem veränderten Freisetzungsverhalten, magensaftresistente Tabletten, Kautabletten, Sublingualtabletten (zur Aufnahme des Wirkstoffes über die Mundschleimhaut) und einige weitere mehr[4]. Die Kautablette ist eine äußerst praktische Form. Man kann sie jederzeit einnehmen, egal, wo man sich gerade befindet, ohne ein Glas Wasser zu benötigen. Ähnlich wie Sticks mit direkt einnehmbarem Pulver ist auch die Kautablette für einen modernen, dynamisch-spontanen Lebensstil entwickelt worden. Auch größere Kautabletten sind vollkommen problemlos zu konsumieren, denn die Kautabletten müssen – im Gegensatz zu normalen Tabletten – nicht im Ganzen geschluckt werden. Die Kautablette ist speziell für Kinder oder ältere Menschen geeignet, die gewöhnliche Tabletten nicht schlucken können oder wollen.
Schutz der Tablette vor Umwelteinflüssen
Die überzogene Tablette (coated tablet) ist eine besondere Tablettenart. Das Überziehen bzw. Befilmen (auch Coating genannt) von Tabletten ist ein wichtiger Prozessschritt u.a. zum Schutz vor Umwelteinflüssen, der seinen eigentlichen Ursprung in der pharmazeutischen Herstellung hat. Die Nachfrage für ummantelte Produkte im Bereich Nahrungsergänzungsmittel steigt stetig. Ein zusätzliches Befilmen der Tablette wird aus Stabilitätsgründen angewandt, denn oftmals sind die Wirkstoffe feuchte-, sauerstoff- oder lichtempfindlich. Mit diesem zusätzlichen Schutz kann eine chemische Veränderung der Wirkstoffe und deren mögliche Inaktivierung verhindert werden.
Eine verzögerte Freisetzung oder sogar ein magensaftresistenter Schutz (auch enterisches Coating genannt) ist ebenso durch das Befilmen möglich. Weiterhin können neben Tabletten auch Weichkapseln magensaftresistent überzogen werden. Die Anforderungen an die zu befilmende Tablette sind eine niedrige Porosität, geringe Friabilität, d.h. geringer Abrieb der Tablette unter mechanischer Beanspruchung, und eine gewisse Tablettenhärte[6].
Veredelung von Tabletten durch Befilmung
Ein farbiges Befilmen von Tablettenkernen dient nicht nur ästhetischen Zwecken, sondern ermöglicht auch eine leichtere Identifizierung des jeweiligen Nahrungsergänzungsmittels. Hier sind sowohl natürliche als auch synthetische Farbstoffe möglich. Ein Coating bewirkt auch eine erleichterte Schluckbarkeit oder die Erzielung eines angenehmeren Mundgefühls durch eine spezielle Geschmacks- und Geruchsmaskierung eines Inhaltsstoffes. Es fördert die positive Einstellung des Verbrauchers gegenüber dem Nahrungsergänzungsmittel bzw. der Arznei durch einen hohen Wiedererkennungswert. Dies gilt speziell für farbige und auch aromatisierte Filmüberzüge, die letztendlich auch die Markenbildung (Branding) des Produktes unterstützen. Dadurch ist ein hoher Wiedererkennungswert gegeben und die Compliance, also der regelmäßige Verzehr des Nahrungsergänzungsmittels, wird positiv beeinflusst. Befilmte Tabletten sind außerdem gegen mechanische Einwirkungen oftmals widerstandsfähiger als unbefilmte Tabletten. Zudem ist durch das zusätzliche Befilmen eine gewisse Barriere gegen Produktfälschungen gegeben[6, 7].
Rechtliche Aspekte
Zulassungsrechtliche Überlegungen dürfen auch bei Nahrungsergänzungsmitteln auf keinen Fall außer Acht gelassen werden. So hat jedes Land beispielsweise seine eigene Verordnung, welche Hilfsstoffe einer Tablette in welcher Menge zugesetzt werden dürfen. Häufig orientieren sich die Länder bei ihren Vorschriften an der europäischen, amerikanischen oder auch japanischen Pharmakopöe. In Japan gibt es z. B. Mengenbegrenzungen für verschiedene Hilfsstoffe wie z.B. Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) und Maisstärke[7]. Das bedeutet, dass die ausgewählten Hilfsstoffe in manchen Ländern als Arzneimittel und in anderen Ländern als Nahrungsergänzungsmittel eingestuft werden können. Die Hilfsstoff- Zusammensetzung aus mikrokristalliner Cellulose (MCC) (E 460), kollodialem Siliciumdioxid (E 551), Carboxymethylstärke-Natrium und Natriumstearylfumarat ist für Nahrungsergänzungsmittel nicht zugelassen, da die letzteren beiden Hilfsstoffe nur für Arzneimittel verwendet werden dürfen. Stattdessen werden der MCC und dem kolloidalem Siliciumdioxid noch Croscarmellose (E 468) und Diacetylweinsäureester aus Mono- und Diglyceriden von Speisefettsäuren (E 472e) hinzugefügt und lebensmittelkonform gemacht[8]. Hier hat lediglich der Zusatzstoff E 472e einen festgesetzten ADI (acceptable daily intake)-Wert von 50 mg/kg, den es zu beachten gilt. Alle anderen Hilfsstoffe haben keine festgelegte Höchstmenge. Zulassungsrechtliche Informationen werden häufig geändert, deshalb sollten diese immer wieder auf ihre Aktualität und Gültigkeit hin überprüft werden[9].
Weiterverarbeitung von Tabletten
Die Tabletten werden nach der Herstellung und vor dem nächsten Verarbeitungsschritt (Befilmung oder Verpackung) zunächst in einem sogenannten Tablettenentstauber von technisch unvermeidbarem Oberflächenstaub befreit. Nur so können nachfolgende weitere Verarbeitungsschritte (z.B. Coating) und die Verpackung einwandfrei ablaufen [10]. Die Tabletten können dann zum Beispiel in Blister Verpackungen oder in Dosen abgefüllt werden.
Ausblick
Viel theoretisches Wissen ist für eine Tablettenherstellung notwendig. Dies reicht jedoch nicht aus und durch sehr viel praktische Erfahrung muss „das gewisse Fingerspitzengefühl“ entwickelt werden, um technologisch optimale und bei jeder Folgeproduktion in exakt gleicher Qualität reproduzierbare Tabletten für den Verbraucher herzustellen [1]. In einem Technikum besteht die Möglichkeit, durch erste Komprimierungsversuche auf einer kleinen Rundläuferpresse die optimale Formulierung zu entwickeln. Die Entwicklung einer Nahrungsergänzungsmittel-Tablette ist stets eine Herausforderung, da das Spektrum der im Lebensmittelbereich zugelassenen Hilfsstoffe deutlich limitierter ist als im Vergleich zum Arzneimittelbereich. Unsere Hersteller der verschiedenen Tablettierhilfsstoffe sind kontinuierlich dabei, die Hilfsstoffe zu verbessern und die Eigenschaften zu modifizieren, damit im Umkehrschluss die Tablette noch besser wird und sich noch einfacher herstellen lässt.
Autorin
Christina Spötzl
ist Managerin Projektentwicklung bei der Goerlich Pharma GmbH. Nach der Berufsausbildung als milchwirtschaftliche Laborantin hat sie an der Fernhochschule Riedlingen den Bachelor-Studiengang „Lebensmittelmanagement und -technologie“ mit dem Schwerpunkt Gesunde Ernährung absolviert. Parallel dazu war sie sechs Jahre in der Pharmaindustrie tätig.
Fachliteratur / Referenzen:
[1] A. Bauer-Brandl, W.A. Ritschel (†): Die Tablette – Handbuch der Entwicklung, Herstellung und Qualitätssicherung (2012), Editio Cantor Verlag, Aulendorf
[2] Pharma Wiki (Medikamente und Gesundheit), http://www.pharmawiki.ch/ wiki/index.php?wiki=Tabletten (Stand: 07.02.2018)
[3] Concept Heidelberg – Seminar „Tablettierung“, 24. bis 25. Februar 2016, Heidelberg
[4] APV basics: Praktikum Tablettieren, 20. bis 21. März, KORSCH AG, Berlin
[5] U. Schöffling: Arzneiformenlehre – Ein Lehrbuch der Galenik für Theorie und Praxis (2009),Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart
[6] R. Voigt: Pharmazeutische Technologie (2006), Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, S. 299-315
[7] Colorcon Coating School, 21. bis 23. September 2015, Colorcon GmbH, Idstein
[8] RS Kundenseminar 16. bis 17. September 2014, JRS Pharma GmbH & Co. KG, Rosenberg
[9] A. Hahn: Nahrungsergänzungsmittel und ergänzende bilanzierte Diäten (2006), Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart
[10] Wikipedia, the free encyclopedia https://en.wikipedia.org/wiki/Tableting (Stand: 07.02.2018)